Psychische Gesundheit und Feedbackkultur
08.11.2022
Ina Haug
Wenn man sich die Zahlen zu psychischen Erkrankungen vor Augen führt, wird eines schnell klar: Unternehmen müssen sich die Einflussfaktoren für die psychische Gesundheit am Arbeitsplatz genauer ansehen. Aber welche Aspekte im Arbeitsumfeld sind überhaupt relevant und welche Rolle spielt dabei die Feedbackkultur?
Das "Wieso"
Psychische Erkrankungen nehmen zu, das ist Fakt (Suhr, 2019). Krankenkassen, behandelnden Psychologinnen und Psychologen und vielen anderen Menschen ist diese Entwicklung mehr als bewusst. Und auch Sie kennen sicher mindestens eine Person in Ihrem Bekanntenkreis, die mit psychischen Problemen zu kämpfen hat - Depressionen, Angststörungen, Phobien, Burnout, …
Psychische Erkrankungen haben viele Ursachen, wie Genetik, traumatisierende Erlebnisse, Sozialisierung und Umwelteinflüsse.
Auf die meisten Dinge hat man keinen Einfluss. Sie passieren einfach und die Herausforderung besteht darin, damit klarzukommen – eine eher ernüchternde Erkenntnis. Aber es gibt einen Ort, an dem besonders viele Einflüsse auf die Psyche einwirken und der beeinflusst werden kann - der Arbeitsplatz. Ständiger Zeitdruck, von einem Online-Meeting zum nächsten hüpfen, fehlende Pausen und das Gefühl ständig erreichbar sein zu müssen sind nur ein paar Beispiele, die Ihnen sicher bekannt vorkommen.
Die Verantwortung des Arbeitgebers
Diese Belastungen können vom Arbeitgeber verbessert werden. Deswegen ist es wichtig, dass Unternehmen hier Verantwortung übernehmen. In erster Linie aus Menschlichkeit, in zweiter Linie aus Wirtschaftlichkeit.
Denn die Folgen von psychischen Erkrankungen am Arbeitsplatz sind häufig fehlende Motivation und entsprechend sinkende Leistungsfähigkeit von Mitarbeitenden mit langfristigen Arbeitsausfällen. Diese Arbeitsausfälle dauern im Schnitt 3mal so lange wie Ausfälle aufgrund anderer Erkrankungen und sie nehmen immer weiter zu (Bundesgesundheitsministerium, 2019).
Ein weiterer Punkt, der für die Verantwortung auf Aufbeitgeberseite spricht: Seit 2013 gibt es ein Gesetz, welches Unternehmen vorschreibt eine sogenannte Psychische Gefährdungsbeurteilung durchzuführen (ArbSchG §5 und §6), also Belastungen am Arbeitsplatz zu identifizieren sowie Maßnahmen zur Verbesserung der psychischen Gesundheit abzuleiten und umzusetzen.
Das "Was"
Es wird deutlich, dass einen Blick auf die psychische Gesundheit im Unternehmen zu werfen keine Frage des „Wiesos“ ist. Das Wieso was dabei aber bleibt: Wieso haben dennoch viele Unternehmen die Dringlichkeit des Themas nicht auf dem Schirm?
Aus persönlicher Erfahrung liegt das an zwei Hauptgründen: erstens herrscht rund um das Thema psychische Erkrankungen leider immer noch eine Wolke aus Stigmatisierung und Vorurteilen, weshalb viele Arbeitgeber die Augen verschließen. Zweitens ist psychische Gesundheit am Arbeitsplatz etwas sehr Abstraktes und es stellt sich schnell die Frage: „Welche Aspekte im Arbeitsumfeld haben einen Einfluss auf die psychische Gesundheit und was sollte man verändern, damit es den Mitarbeitenden besser geht?“.
Es geht also nicht um das „Wieso“, sondern um das „Was“.
Einflüsse am Arbeitsplatz
Es gibt viele Themen am Arbeitsplatz, die potentiell belastend sein können für die psychische Gesundheit der Mitarbeitenden. Von der GDA, der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie, werden Richtlinien vorgegeben, auf die am Arbeitsplatz zum Schutz der psychischen Gesundheit geachtet werden sollten. Darin sind folgende Themenfelder abzudecken:
- Arbeitsinhalte/ -aufgabe
- Arbeitsorganisation
- Arbeitszeit
- Soziale Beziehungen
- Arbeitsmittel
- Arbeitsumgebung
Es sollte beispielsweise darauf geachtet werden, ob die eigene Arbeit abwechslungsreich ist oder eher aus eintönigen Routineaufgaben besteht. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der Handlungs- und Entscheidungsspielraum der einzelnen Mitarbeitenden.
Je nach Berufsbild spielen auch die Arbeitszeiten und das Thema Schichtarbeit eine wichtige Rolle. Oft unterschätzt: physische Arbeitsbedingungen können auf die Psyche schlagen. Ein flackerndes Licht oder ständiger Lärm können ganz schön stressig sein. All diese Punkte sind mögliche Belastungen – und gleichzeitig mögliche Ressourcen, die im richtigen Maß auch die psychische Gesundheit fördern können.
Ein besonderes Augenmerk möchte ich auf die sozialen Beziehungen am Arbeitsplatz legen. Denn wenn hier viel Positives erlebt wird, beispielsweise durch Unterstützung der Führungskraft, Teamzusammenhalt und eine gute Fehlerkultur, dann bildet das einen großen Puffer gegen akute Belastungen. Anders ausgedrückt: Wenn das soziale Umfeld stimmt, dann kann man ziemlich viel aushalten.
Die Rolle von Feedback
In dem Themengebiet Soziale Beziehungen spielt auch die Feedbackkultur eine große Rolle. Fehlendes oder unkonstruktives Feedback hat einen Einfluss auf das Stresserleben am Arbeitsplatz und kann Gefühle der Hilflosigkeit bis hin zu Depressionen zur Folge haben.
Eine gute Feedbackkultur hingegen kann die Selbstwirksamkeit der Mitarbeitenden steigern. Das bedeutet, dass Mitarbeitende sich selbst mehr zutrauen und sich ihrer Kompetenzen bewusst sind. Vor allem, wenn das Feedback konstruktiv und regelmäßig ist, wirkt sich dies positiv aus.
Und auch wenn das Feedback durch die Führungskraft besonders wichtig ist, ist es mindestens genauso wichtig, dass Mitarbeitenden auch die Möglichkeit haben, selbst Feedback zu geben.
Daher ist es aus psychologischer Sicht empfehlenswert eine positive Feedbackkultur im Unternehmen zu etablieren und so die psychische Gesundheit von Mitarbeitenden zu stärken. Das Feedback sollte regelmäßig und konstruktiv sein, mit klaren Feedbackregeln und der Möglichkeit von verschiedenen Personen Feedback zu bekommen, aber genauso auch Feedback geben zu können.
Autorin:
Ina Haug
B. Sc. Psychologie, M. Sc. Wirtschaftspsychologie
Mit-Gründerin von improveMID
Quellen:
Bundesgesundheitsministerium (2019). Arbeitsunfähigkeit: Fälle und Tage nach Diagnosen 2019.
Suhr, F. (Statista, Hrsg.). (2019). Psychische Erkrankungen im Job nehmen zu. Hier verfügbar.